was früher meine Stärke war (zumindest seh ich das als Stärke, aber viele haben mir da bereits widersprochen), wird nun eine Schwäche.

ich war immer in der Lage, Emotionen zu unterdrücken. in meiner pubertären Phase hatte ich leider falsche Wege, diesen inneren Druck abzulassen, aber irgendwie hat’s doch immer geklappt. mit zunehmendem Alter wurden meine Emotionsausbrüche weniger und vor etwa einem Jahr war ich dann soweit, dass ich mich vollkommen unter Kontrolle hatte.
ich fand es wunderbar, dass ich in einem Streit, egal was man mir an den Kopf warf, ruhig bleiben konnte, ein leichtes Lächeln aufsetzen konnte und dann aufstehen und gehen konnte, während ich die Aussagen des Gegenübers unkommentiert ließ. so entstanden keine Streitereien, weil ich nichts konterte. und wenn doch, dann war ich noch vollkommen in der Lage, mit Beherrschung mein Anliegen zu formulieren so die Diskussion zum Erliegen zu bringen. in einer deprimierenden oder traurigen Situation beherrschte ich mich und schaffte es, mich nicht davon mitreißen zu lassen.

und was ist jetzt aus mir geworden?

ein Mädchen. ich heul, ich streit, ich hüpf herum, wenn ich mich freue. meine Selbstkontrolle ist flöten gegangen. ob das am aktuell veränderten Hormonhaushalt liegt oder daran, dass ich jemanden habe, vor dem ich mich traue, meine Emotionen preis zu geben oder auch nur daran, dass ich derzeit keinen Katalysator habe, mit dem ich meine Emotionen filtern kann, weiß ich nicht.
ich weiß nur, dass es mir ganz unangenehm ist, so offen verletzlich und angreifbar zu sein.

vor allem finde ich es erstaunlich, wie mir fremdes Leid selbst so wehtun kann. gestern erst hat eine Freundin mir etwas von sich erzählt, was für einen selbst zwar schmerzlich ist, für einen Außenstehenden in der Regel aber nur als Tatsache realisiert wird und man versucht, den anderen etwas aufzumuntern.
mir selbst ging’s am Abend allerdings so schlecht, als sei mir selbst dasselbe widerfahren. ich saß deprimiert da, hatte schlechte Laune und musste intensive Beachtung von Dennis kriegen, um mich ein wenig zu raffen. ganz merkwürdig. oder letztens, da saß ich bei meiner Mutter im Wohnzimmer und schaute TV, als plötzlich diese Werbung kam, von einer Tierschutzorganisation. mit nur fünf Euro monatlich könne man Straßenhunden helfen. jetzt allein wenn ich dran denk kommen mir die Tränen, aber als ich die Werbung sah, hat mich das derartig gerührt, dass ich wirklich das Heulen anfing. nicht ein, zwei Tränen, die mal kurz die Wange herunter kullern. Nein, richtiges Weinen. hallo, was ist mit mir los? wo ist meine Standhaftigkeit und Kontrolle hin? wer bin ich und was ist mir der richtigen Sara passiert? 22 Jahre arbeite ich daran, mich zu kontrollieren und dann ist plötzlich alles für die Katz.
ich komm mit der emotionalen Sara nicht klar.